Hersbruck
- Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan, so könnte man die Wandlung
der Bahnunterführung Kellerstraße beschreiben. Aus einem niedrigen,
schlecht beleuchteten Fußgängertunnel entstand eine helle,
freundliche Passage von der unteren Kellerstraße zur Gartenstraße und
dem Michelsberg, die nach der Ausführung der Restarbeiten sicher bald
wieder offiziell freigegeben wird.
Noch im Oktober 2018 meldete die HZ
unter der Überschrift „Unterführung wird zum Denkmal“ , dass nach
Meinung der Experten des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege der
Durchgang „ein bis heute unverändert erhaltenes
Zeugnis sowohl für die Weiterentwicklung der Bahnlinie rechts nach
Osten als auch für die rasante Entwicklung Hersbrucks...“ darstellt.
Doch heute ist dieses Denkmal bereits Geschichte.
Entstanden ist die Unterführung
im Zusammenhang mit der Verlegung des zweiten Gleises der
Fichtelgebirgsbahn Nürnberg - Eger in den Jahren 1888/89. Hersbruck war
in der glücklichen Lage, bereits seit 1859 an die Bahnlinie Nürnberg –
Regensburg angebunden zu sein, die von der privaten „Königlich
privilegierten Aktiengesellschaft der Bayerischen Ostbahnen“
errichtet und betrieben wurde.
Seit
1869 war auch der Bau einer Staatsbahn von Nürnberg nach Bayreuth bzw.
Eger geplant. Damit sollte unter anderem der Transport von böhmischer
Kohle und von Eisenerz aus dem Raum Auerbach zur Maxhütte in Rosenberg
vereinfacht werden. Als nach dem Sieg über Frankreich 1870/71
auch Bayern von den Reparationsleistungen profitierte, war dem
ansonsten permanent klammen Staatssäckel die Finanzierung des Vorhabens
möglich. Die neue Bahnlinie
wurde zweigleisig trassiert, aber vorerst nur eingleisig ausgeführt, um
die weitere Entwicklung des Verkehrsaufkommens abzuwarten.
Hersbruck jedoch hatte als
Abzweigbahnhof von Anfang an fünf Durchfahrgleise und auch die
Verbindungslinie nach Pommelsbrunn zwischen „Neuer Bahn“ und „Alter
Bahn“ wurde - wie die gesamte Fichtelgebirgsbahn -
bereits 1877 in Betrieb genommen.
Das wichtigste Einfallstor in die
Stadt für Fußgänger aus dem Sittenbachtal – und Fußgänger
war damals nahezu jeder, vom Landbriefträger bis zu den Botenfrauen mit
ihren großen Körben auf dem Rücken und dem Bauern, der zum
Ferkelmarkt wollte - war der große Bahnübergang in der Kellerstraße.
Dort waren vier Gleise zu überqueren, weshalb die „Überfahrt“, wie
damals ein Bahnübergang bezeichnet wurde, mit zwei Vollschranken
gesichert war. Zuständig für deren Bedienung war ein Schrankenwärter,
der von Läutwerken über die Zugfahrten informiert wurde. Die
Schrankenbäume waren damals in den Landesfarben, also abwechselnd weiß
und blau gestrichen.
Nach
Verlegung des zweiten Gleises in den Jahren 1888/89 wurden die
schienengleichen Bahnübergänge im Stadtgebiet Hersbruck durch die heute
noch bestehenden Unterführungen ersetzt. Dabei war die Unterführung
Kellerstraße nur noch für Fußgänger vorgesehen. Deren
südliche Rampe wird bis heute von einer Treppe zum Anwesen
Kellerstraße 6 unterbrochen. Diese wurde als Zugang zur „Restauration
von J. Ernstberger“ errichtet, die in diesem Haus ein Lokal mit
Tanzsaal im 1. Stock betrieb. Bis in 1950er Jahre wurde der
Gaststättenbetrieb mit Metzgerei vom “Dorfmüller“
fortgeführt. Angeblich konnte man dort auch die beste Stadtwurst
essen. Für weitere Einkehrmöglichkeiten in der kurzen unteren
Kellerstaße sorgten schräg gegenüber die Gaststätte
„Stadtmüller“ (heute Rumpelkammer) und daneben das vornehme
Cafe Stiegler (heute.asiatisches Restaurant).
Auf
der Nordseite des Bahnübergangs warteten dann noch der Westphalskeller,
der Ueblerkeller, der Gengskeller und die Schmidtmeyersche
Dampfbierbrauerei auf die damals anscheinend sehr durstigen Kehlen.
Nach Ende des II. Weltkrieges wurde
die „BdM - Obergauschule“ der Nazis Sitz der amerikanischen
Militärregierung für Hersbruck (heute Don-Bosco-Haus). Für
die jungen amerikanischen Soldaten war es immer ein Vergnügen, mit
ihren wendigen Jeeps durch die kleine Unterführung zu fahren und dabei
Fußgänger zu erschrecken. Möglich war dies, weil die rechtwinklig
abzweigenden Rampen an der Nordseite damals deutlich breiter
waren. Erst mit dem Ausbau und der Asphaltierung der Gartenstraße
in den 1950er Jahren wurde vor der bestehenden Stützmauer aus
Naturstein eine weitere aus Beton errichtet, wodurch sich die Breite
der Rampen deutlich reduzierte.
Es wäre schön, wenn das neue
schmucke Bauwerk mit seiner ansprechenden Natursteinverblendung
möglichst lange von Grafitti-Vandalen verschont bliebe.
Dieter Striegler