Hersbruck - Als Helden bezeichnen wir Personen,
die eine besondere, nicht alltägliche Leistung beispielsweise beim
Einsatz für ihre Mitmenschen vollbringen. Als Ergebnis der
inflationären Verwendung des Begriffes gegen Ende des bereits
sinnlosen gewordenen II. Weltkrieges ist dieses Wort heute kaum mehr
im Gebrauch. Dieser Bericht soll jedoch an einen
wahren Helden erinnern, der - ähnlich wie Fred Schäfer beim
Einmarsch der amerikanischen Truppen in Hersbruck - im April 1945
Großes für seine Heimatstadt geleistet hat: an Georg Liedel.
Am 19. April, drei Tage nach der
Übergabe der Stadt an die Amerikaner durch Bürgermeister Dr.
Neusinger, explodierte die im Rathaus gelagerte Munition vermutlich
durch Brandstiftung und zerstörte das Gebäude völlig.
Glücklicherweise konnten alle
Anwesenden unverletzt über den Balkon gerettet werden, nur die im 3.
Stock wohnende Hausmeisterin Frau Ludwig (Spitzname "Seechböckl)
wollte ihr damals so wichtiges "Schmalzhäferla" nicht
loslassen, stürzte von der Leiter und verletzte sich schwer.
Natürlich war die Feuerwehr im Einsatz
und versuchte mit ihren begrenzten Mitteln zu retten, was zu retten
war. Da das Rathaus an vielen Ecken gleichzeitig in Flammen stand,
konnte man es nur gezielt niederbrennen lassen.
Hitze, Wind, Funken
Die enorme Hitze, aber auch der
Funkenflug durch den starken Westwind, setzten jedoch bereits die
Wetterbretter der Gasthäuser "Roter Hahn" und "Rotes
Ross" in Brand. Es bestand die allergrößte Gefahr, dass das
Feuer auf das ganze Quartier zwischen Prager Straße und
Martin-Luther-Straße übergreift und sich zu einem verheerenden
Stadtbrand mit unabsehbaren Folgen entwickelt.
Zur Löschwasserversorgung war eine
Schlauchleitung von der Pegnitz über die Turngasse und die Prager
Straße verlegt worden, die mit Motorpumpen betrieben wurde.
Ausgerechnet in dieser kritischen Situation ging das Benzin - damals
absolute Mangelware - für diese Pumpen zur Neige.
Und in diesem Augenblick fand sich ein
Held in der Person des Feuerwehrmanns Georg Liedel (Inhaber der ehem.
Metzgerei Liedel, Ecke Prager Straße/Spitalgasse), der sich zwei
leere Kanister schnappte, um bei den amerikanischen Truppen, die auf
dem Plärrer stationiert waren, um Benzin zu bitten.
Georg Liedel, 1902 geboren, war für
den I. Weltkrieg zu jung, und bei der Wiedereinführung der
Wehrpflicht durch die Nazis 1935 bereits zu alt, um noch eingezogen
zu werden. So konnte er an der "Heimatfront" bei der
Feuerwehr Dienst leisten.
Alle Feuerwehren wurden jedoch
spätestens 1938 durch das Reichsfeuerlöschgesetz als
Hilfspolizeitruppe in die Ordnungspolizei integriert, aus der
Feuerwehr wurde die Feuerlöschpolizei. Die Farbe der
Einsatzfahrzeuge wechselte vom Feuerwehrrot ins Polizeigrün, die
höheren Dienstgrade wurden mit Pistolen bewaffnet und auch die
Uniformen sahen denen der Polizei zum Verwechseln ähnlich. Zudem
trug der schwarze Stahlhelm als Hoheitsabzeichen einen Adler mit dem
Hakenkreuz auf der Brust.
Die heute 91jährige Tochter von Georg
Liedel, Sibylle Liedel, erinnert sich noch genau, wie man vergeblich
versuchte beim Näherrücken der Amerikaner das Hakenkreuz mit
haushaltsüblichen Mittel zu entfernen. Schließlich half nur das
Abkratzen des jetzt ungeliebten Symbols.
Zu allem Überfluss trug Georg Liedel
auch noch das schwarz-weiß-rote Bändchen des Kriegsverdienstordens
an der Uniform, nicht bei Kampfhandlungen, sondern beim
Feuerwehreinsatz im bombardierten Nürnberg erworben.
Für einen amerikanischen Soldaten war
er wohl kaum als Feuerwehrmann einzuordnen, zumal ja im Hersbrucker
Umland noch immer vereinzelte deutsche Truppenteile kämpften.
Und in dieser Uniformierung wagte er
sich, mit zwei Benzinkanistern in der Hand, zu den Amerikanern.
Sibylle Liedel, beschreibt in ihrem
Büchlein " Lissis Gschichtla" die Situation:
Also dass die amerikanischen
Soldaten mein Vater überhaupt zu an Kommandantn gführt habn und net
glei losballert habn, grenzt scho an a Wunder. Der Kommandant hat
erst amal mein Vater kritisch gmustert und des schwarz-weiß-rote
Bändla an seiner Uniform. Verständigung war keine möglich. Zum
Glück is "fire" im englischn und fränkischn gleich! Zwei
leere Kanister haben demonstriert wos fehlt. Ein GI wird herbeordert
und der nimmt mein Vater die Kanister ab und wirfts af an Haufn mit
lauter leere Kanister.
Schnell weg!
So, denkt mei Vater: Etz sin die
Kanister a no weg und etz werdns mich dann verhaftn! Es vegehen bange
Minutn, für mein Vater bestimmt a klaane Ewigkeit. Dann kummt der GI
zurück und drückt mein Vater zwei volle Kanister Benzin in die Händ
und macht a Bewegung, dass er verschwinden soll!
Mei Vater kann des Ganze überhaupt
net fassn, aber so schnell wie damals is er bestimmt nimmer vom
Plärrer zum obern Markt kumma! Und somit hat verhindert werdn
könner, dass a no die halbe Prager Straße und die halbe
Martin-Luther- Straße abbrennt sind.
Dem amerikanischen Kommandanten
sollt ma heit no dankbar sei, für sei Großzügigkeit und vielleicht
a a weng mein Vater. Der war bestimmt ka Held, aber wenns draf
ankomma is, dann war er dou. Er wollt net, dass die klaane Heldentat
an die grouß Glockn g`hängt wird, drum hat er`s immer nur im
Familienkreis erzählt.
Vielleicht kann
dieser Bericht dazu beitragen, an einen Hersbrucker zu erinnern, der
in einer überaus kritischen Situation wahren Heldenmut bewiesen hat
und damit seine Heimatstadt vor großer Zerstörung bewahrte.
Photos privat Text: Dieter Striegler