HZ
Samstag, 3  März 2018

  

Angriff auf Gemeindefreiheit?
 
  
Interview mit Ex-Stadtrat Dieter Kuhn zu "Strabs" -- Infoabend am Montag
 
Dieter Kuhn

HERSBRUCK - Sie ist das Schreckgespenst für viele Bürger --  die Straßenausbaubeitragssatzung, kurz "Strabs“. Erneuert oder verbessert eine Kommune ihre Ortsstraßen, werden auch die Anlieger zur Kasse gebeten – und müssen dann oft vier-, fünf- oder auch sechsstellige Summen bezahlen. Die Freien Wähler Bayern wollen diese ungeliebte Praxis per Volksentscheid abschaffen. Worum es dabei genau geht, erklärt Dieter Kuhn am kommenden Montag, 5. März, ab 19 Uhr bei einer Infoveranstaltung der Hersbrucker Altstadtfreunde im Stadtcafé. Die HZ sprach schon vorab mit dem ehemaligen ODP-Stadtrat.

Sie sind glühender Verfechter der direktten Demokratie and haben im Verein „Mehr Demokratie in Bayern“ Lange für die Einführung des komrnunalen Bürgerentscheids gekämpft, der 1995 Realität wurde. Haben die Altstadtfreunde Sie deshalb als Referenten für den Abend engagiert?


Dieter Kuhn: Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht. Ich vermute eher, dass es daran liegt, dass ich die Altstadtfreunde vor einiger Zeit juristisch unterstützt habe, als sie wegen ihres Gartens auf der Turnhalleninsel Probleme mit der Bauleitplanung bekamen. Es ist aber durchaus moglich, dass meine Erfahrungen mit „Mehr Demokratie in Bayern“ ebenfalls eine Rolle gespielt haben, auch wenn es damals mehr um die kommunale Ebene ging.

Hier handelt es sich um einen landesweiten Volksentscheid, mit dem die Freien Wähler, die für viele Betroffene leidige Straßenausbausatzung kippen wollen.

Und damit auch um die in Artikel 28 des Grundgesetzes verankerte „Gemeindefreiheit“, nach der Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln dürfen. Es ist schon paradox, dass die gesetzlichen Vorgaben - wie das Kommunale Abgabengesetz (KAG) – mittlerweile so eng sind, dass sie fur solche Aufgaben kaurn noch Spielraum haben. Ein Bürgermeister hat mir neulich gesagt, dass das KAG so ziemlich das komplizierteste ist, was es gibt. Damit werden die Kommunen zum Beispiel auch gezwungen, eine Straßenausbausatzung zu erlassen.

Obwohl sie das eigentlich gar nicht müssten.

Genau, das ist ein klarer Eingriff in die Gemeindefreiheit. So hat zum Beispiel München die "Strabs“ 2015 abgeschafft. Viele Bürger fühlen sich von den Straßenausbau beitragen bedroht. Nehmen Sie die Obere Hagenstraße: Wir haben hier Erschließungsbeiträge gezahlt, als die Straße gebaut wurde, bis heute wurde und wird in dem Gebiet hier oben weiter gebaut. Irgendwann kann es sein, dass die Stadt sagt, die Straße muss wegen des zusatzlichen Verkehrs ausgebaut werden. Da ist es doch absurd, dass die Anwohner dann auch noch dafür zahlen sollen, dass noch mehr Autos an ihren Häusern vorbeifahren. Außerdem ist im KAG geregelt, dass nur das umgelegt werden darf, was dem Anlieger einen Vorteil verschafft. Manchmal wundere ich mich schon, dass es so hässliche Beiträge noch gibt, das ist eigentlich rechtswidrig.

Die CSU-Landtagsfraktion hat im Februar auf ihrer Klausur in Kloster Banz beschlossen, die Vorschrift abzuschaffen. Braucht es da das Vollesbegehren noch?

Der Partei habe ich noch nie getraut (lacht). Im Ernst: Die CSU ist schlau genug, etwas zu unternehmen, wenn sie spürt, dass der Gegenwind gefährlich wird. Und die Ungerechtigkeit der Straßenausbausatzung ist so offensichtlich, dass wohl jeder sagt, dass das so nicht bleiben kann.

Hersbrucks Bürgermeister Robert Ilg ist ebenfalis für die Abschaffung der „Strabs“, weiß aber auch, dass der finanziell nicht auf Rosen gebetteten Stadt damit viel Geld für den notwendigen Straßienerhalt fehlen würde.

Beim Volksentscheid geht es zunachst nur um die Abschaffung der Beiträge. Anschließbend muss dann eine gerechte Neulösung gesucht werden. Das kann zum Beispiel eine allgemeine, kommunale Kraftfahrtabgabe sein, bei der alle Kfz-Besitzer eines Ortes ihren Teil zum Erhalt der Gemeindestraßenbeiträgen. Sie sind ja letztlich auch der Grund, warum diese ausgebaut oder erneuert werden müssen.

Was erwartet die Besucher bei Ihrem Vortrag am Montag Abend?

Ich habe mir zwei große Themenblöcke überlegt - Fakten und Aspekte. Im ersten gehe ich auf die gesetzlichen Grundlagen sowohl des Volksbegehrens als auch der Straßenausbausatzung ein. Und dann will ich noch ein bisschen in die Zukünft und auf mögliche Lösungen schauen. Fallt die "Strabs“, ist das ja nur der erste in einer langen Reihe von Dominosteinen. Die Frage der Straßenfinanzierung ist virulent und ein Wahnsinns-Kostenpaket. Bei meinen Recherchen im Vorfeld habe ich gelesen, dass in Deutschland dafür alljährlich zwischen 50 und 100 Milliarden Euro ausgegeben werden.

Und die Frage ist, ob wir Bürger das auch so wollen?

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie lebendig direkte Demokratie sein kann. Bei meinen Besuchen in der Schweiz entdecke ich überall Lösungen, die erfrischend einfach sind. So hat die Stadt Appenzell für den örtlichen Bauhof keinen großen Gebäudekomplex in die Höhe gezogen, sondern zwischen einem Weg und einem Fluss ein einfach gehaltenes Depot angelegt, zim Teil auch überdacht. Das ist viel billiger und funktioniert trotzdem. Oder nehmen Sie das Votum gegen die Olympischen Winterspiele 2022 in München - auch da haben Burger für den nötigen "Durchzug“ im Land gesorgt und sich dagegen ausgesprochen, Milliarden für ein einmaliges Sportevent auszugeben.

Interview: KLAUS PORTA

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