HERSBRUCK - Sie ist das
Schreckgespenst für viele Bürger -- die
Straßenausbaubeitragssatzung, kurz "Strabs“. Erneuert oder verbessert
eine Kommune ihre Ortsstraßen, werden auch die Anlieger zur Kasse gebeten – und
müssen dann oft vier-, fünf- oder auch sechsstellige Summen bezahlen.
Die Freien Wähler Bayern wollen diese ungeliebte Praxis per
Volksentscheid abschaffen. Worum es dabei genau geht, erklärt Dieter
Kuhn am kommenden Montag, 5. März, ab 19 Uhr bei einer
Infoveranstaltung der Hersbrucker Altstadtfreunde im Stadtcafé. Die HZ
sprach schon vorab mit dem ehemaligen
ODP-Stadtrat.
Sie sind glühender Verfechter der direktten Demokratie
and haben im Verein „Mehr Demokratie in Bayern“ Lange für die
Einführung des komrnunalen Bürgerentscheids gekämpft, der 1995
Realität wurde. Haben die Altstadtfreunde Sie deshalb als Referenten
für den Abend engagiert?
Dieter Kuhn:
Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht. Ich vermute eher, dass es daran
liegt, dass ich die Altstadtfreunde vor einiger Zeit juristisch
unterstützt
habe, als sie wegen ihres Gartens auf der Turnhalleninsel Probleme mit
der Bauleitplanung bekamen. Es ist aber durchaus moglich, dass meine
Erfahrungen mit „Mehr Demokratie in Bayern“ ebenfalls eine Rolle
gespielt haben, auch wenn es damals mehr um die kommunale Ebene ging.
Hier handelt es sich um einen landesweiten Volksentscheid, mit dem die
Freien Wähler, die für viele Betroffene leidige Straßenausbausatzung
kippen wollen.
Und damit auch um die in Artikel 28 des Grundgesetzes verankerte
„Gemeindefreiheit“, nach der Gemeinden alle Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln dürfen. Es ist
schon paradox, dass die gesetzlichen Vorgaben - wie das Kommunale
Abgabengesetz (KAG) – mittlerweile so eng sind, dass sie fur solche
Aufgaben kaurn noch Spielraum haben. Ein Bürgermeister hat mir
neulich gesagt, dass das KAG so ziemlich das komplizierteste ist, was
es gibt. Damit werden die Kommunen zum Beispiel auch gezwungen, eine
Straßenausbausatzung zu erlassen.
Obwohl sie das eigentlich gar nicht müssten.
Genau, das ist ein klarer Eingriff in die Gemeindefreiheit. So hat zum
Beispiel München die "Strabs“ 2015 abgeschafft. Viele Bürger fühlen
sich von den Straßenausbau beitragen bedroht. Nehmen Sie die Obere
Hagenstraße: Wir haben hier
Erschließungsbeiträge gezahlt, als die Straße gebaut wurde, bis heute
wurde und wird in dem Gebiet hier oben weiter gebaut. Irgendwann kann
es
sein, dass die Stadt sagt, die Straße muss wegen des zusatzlichen
Verkehrs ausgebaut werden. Da ist es doch absurd, dass die Anwohner
dann auch noch dafür zahlen sollen, dass noch mehr Autos an ihren
Häusern
vorbeifahren. Außerdem ist im KAG geregelt, dass nur das umgelegt
werden darf, was dem Anlieger einen Vorteil verschafft. Manchmal
wundere
ich mich schon, dass es so hässliche Beiträge noch gibt, das ist
eigentlich rechtswidrig.
Die CSU-Landtagsfraktion hat im Februar auf ihrer Klausur in Kloster
Banz beschlossen, die Vorschrift abzuschaffen. Braucht es da das
Vollesbegehren noch?
Der Partei habe ich noch
nie getraut (lacht). Im Ernst: Die CSU ist schlau genug, etwas zu
unternehmen, wenn sie spürt, dass der Gegenwind gefährlich wird. Und
die Ungerechtigkeit der Straßenausbausatzung ist so offensichtlich,
dass wohl jeder sagt, dass das so nicht bleiben kann.
Hersbrucks Bürgermeister Robert Ilg ist ebenfalis für die Abschaffung
der „Strabs“, weiß aber auch, dass der finanziell nicht auf Rosen
gebetteten Stadt damit viel Geld für den notwendigen Straßienerhalt
fehlen würde.
Beim Volksentscheid geht es zunachst nur um die Abschaffung der
Beiträge. Anschließbend muss dann eine gerechte Neulösung gesucht
werden. Das kann zum Beispiel eine allgemeine, kommunale Kraftfahrtabgabe sein, bei der alle
Kfz-Besitzer eines Ortes ihren Teil zum Erhalt der
Gemeindestraßenbeiträgen. Sie sind ja letztlich auch der Grund, warum
diese ausgebaut oder erneuert werden müssen.
Was erwartet die Besucher bei Ihrem Vortrag am Montag Abend?
Ich habe mir zwei große
Themenblöcke überlegt - Fakten und Aspekte. Im ersten gehe ich auf die
gesetzlichen Grundlagen sowohl des Volksbegehrens als auch der
Straßenausbausatzung ein. Und dann will ich noch ein bisschen in die
Zukünft und auf mögliche Lösungen schauen. Fallt die "Strabs“, ist das
ja nur der erste in einer langen Reihe von Dominosteinen. Die Frage der
Straßenfinanzierung ist virulent und ein Wahnsinns-Kostenpaket. Bei
meinen Recherchen im Vorfeld habe ich gelesen, dass in Deutschland
dafür alljährlich zwischen 50 und 100 Milliarden Euro ausgegeben werden.
Und die Frage ist, ob wir Bürger das auch so wollen?
Ich weiß aus eigener
Erfahrung, wie lebendig direkte Demokratie sein kann. Bei meinen
Besuchen in der Schweiz entdecke ich überall Lösungen, die erfrischend
einfach sind. So hat die Stadt Appenzell für den örtlichen Bauhof
keinen großen Gebäudekomplex in die Höhe gezogen, sondern zwischen
einem Weg und einem Fluss ein einfach gehaltenes Depot angelegt, zim
Teil auch überdacht. Das ist viel billiger und funktioniert trotzdem.
Oder nehmen Sie das Votum gegen die Olympischen Winterspiele 2022 in
München - auch da haben Burger für den nötigen "Durchzug“ im Land
gesorgt und sich dagegen ausgesprochen, Milliarden für ein einmaliges
Sportevent auszugeben.
Interview: KLAUS PORTA