Montag, 16. Juni 2014

 

Auf den Spuren von Karl IV


PILSEN - Die Hersbrucker Altstadtfreunde machten sich heuer auf den Weg, um die Goldene Straße von Hersbruck bis Pilsen kennenzulernen. Diese Fahrt dient einerseits zu Kommunikation unter den Vereinsmitgliedern, andererseits auch aber dazu, um über den Tellerrand hinüberzuschauen, und zu sehen, wie in anderen Orten die kulturellen Schätze und Baudenkmäler bewahrt und herausgestellt werden.

In Sulzbach wurde das Denkmal für Karl IV. am Chor der Stadtkirche besichtigt, Allerdings war es nicht möglich, die Stadt auf der alter Route zu durchqueren, so dass eine Stadtrundfahrt unternommen werden musste. Gerade Sulzbach als einstige Hauptstadt von Neuböhmen (1353 - 1373) war natürlich besonders bedeutend, daher findet in Sommer noch ein extra Ausflug dorthin statt.

Weiter ging es über Hirschau. Einst War dort nur eine Wasserburg mit einer kleinen Siedlung, an der der Verkehr vorbeifloss. Karl IV. befahl aber den Bürgern, eine Stadtmauer zu errichten und den Verkehr durch die Stadt zu leiten, Er verlieh 1367 den Hirschauern das Recht, einen Wochenmarkt abzuhalten. Der Pfleger bezog seine Einnahmen durch das Geleit der Handelszüge, die er von Gebenbach bis Kohlberg zu begleiten und somit zu sichern hatte. Interessant ist auch die Entstehung des Kaolins, das an der fränkischen Bruchkante liegt, wodurch Erdschichten so gehoben wurden, dass 88 Millionen altes Gestein der Oberkreide neben 280 Millionen altern Gestein des Rotliegenden nebeneinander zu liegen kamen.

Da Weiden bereits besucht wurde, so ging es an dieser Stadt, deren Altstadt noch den mittelalterlichen Straßenmarkt bewahrt hat, vorbei.Wegen der Umgehungsstraße wurde auch Neustadt an der Waldnaab links liegen gelassen, obwohl auch diese Stadt mit Vorstadt noch Spuren von Karl IV. bewahrt hat, Freilich hat sich die rechte Hälfte des Marktplatzes gewaltig verändert, nachdem die Familie von Lobkowitz nach 1576 hier ein Renaissanceschloss errichtet hat, das 100 Jahre später durch einen Barockbau erweitert wurde. Karl IV, schenkte den Bürgern den Stadtwald mit der Auflage, ihre Stadt zu befestigen. Als Zeichen überreichte er ihnen seinen Handschuh und dieser wird in Neustadt fast wie eine Reliquie aufbewahrt.


Pilsen
Blick vom Hotel im Pilsen zum Tyl-Theater und zur Synagoge (rechts)           Fotos: H. SÜß

Rasch war die Gruppe nun in der Grenzstadt Bärnau, die durch ihre Glasindustrie bekannt wurde. In der unweit davon liegenden Silberhütte wurde jahrhundertelang Glas produziert, bevor sie zu einem Ski- und Wanderzentrum umgestaltet wurde. Bärnau hat einen Bären im Wappen und ist ein kleiner Ort geblieben, der sich um den quadratischen Marktplatz mit einem großen Granitbrunnentrog gruppiert. Im Deutschen Knopfmuseum wurden die Hersbrucker bereits erwartet. Der Rundgang durch das Museum, das einst in einer alten Knopffabirk untergebract war und nun eine großartige Heimstatt im ehemaligem Kommunbrauhaus gefunden hat, zeigte, wie eine die Kleider durch Fibeln zusarmmengehalten wurden, bevor Knöpfe erfunden wurden. Erstaunt war man über die vielen Arbeitsschritte, die erforderlich waren, um aus einer Muschelschale einen Perlmuttknopf zu gewinnen. Aber auch Holz, Steinnuss, Glas, Horn, Tierknochen und Metall wurden für Knöpfe verwendet.

Zahlreiche Maschinen wurden erfunden, um die Knopfherstellung wirtschaftlich zu machen. Heute wird dafür meistens Kunststoff verwendet. Während Knopfkleider ebenso wie der kleinste Perlmuttknopf bestaunt wurden, erwarben einige Damen schon lange gesuchte Knopfexemplare aus der riesigen Sammlung des Museums. Der Geschichtspark Wurde nicht besucht, obwohl dort Nachbildungen mittelalterlicher Gebäude bestaunt und begangen werden können, und wo auch historische Festspiele stattfinden, so heuer im Sommer das Spiel um Jan Hus.

An der Grenze, wo noch Reste der Tillyschanze zu sehen sind, aber keine Grenzbeamten, ging es durch das einstige Paulusbrunn von 615 m Höhe wieder hinunter ins Tal der Mies nach Tachau, das heute Tachov heißt. Hier schlug 1427 der Hussiten führer Prokop d. Große ein gewaltiges Kreuzfahrerheer und startete Plünderungszüge in die Oberpfalz, bis in das Hersbrucker Land. Doch schon um 1115 war eine Burg hier errichtet Worden, die 1285 zu einer Stadt erweitert wurde. Die beeindruckenden Reste der wehrhaften Stadtmauer mit den schindelgedeckten Türmen sind noch gut erhalten.

Kladrau
Die Altstadtfreunde bei der Führung durch die Klosterkirche Kladrau

Die alte romanische Wenzelkapelle steht neben der immensen gotischen Stadtkirche, die Karl IV. erbauen ließ. Die Burg Wurde zu einem Schluss umgestaltet und am Marktplatz nützten bereits einige die Gelegenheit, um tschechische Kronen den Geldautomaten zu entlocken. Im Kreismuseum im ehemaligen Franziskanerkloster war für jeden etwas zu sehen, von vorgeschichtlichen Funden, Waffen der Hussiten, alte Ansichtskarten des Ortes, als er noch von Deutschen bewohnt war, jüdischen Grabsteinen, Handwerksgeräten. Bürger und Bauernstuben und kirchliche Kunst Werke. Besonders interessant waren die schriftlichen Zeugnisse aus der Zeit nach 1918, nach 1938 und nach 1945, die in beiden Sprachen erläutert wurden.

Danach wurde das nahe ehemalige Benediktinerkloster Kladrau / Kladruby besichtigt, das eines der gr6B- ten Kirchengebäude Tschechiens ist. Neben den Klöstern Tepl und Waldsassen wurde der Böhmerwald vom 1115 gegründeten Kladrau aus er schlossen. Nach der Rekatholisierung Böhmens entstand hier ein Wallfahrtsort, dessen Reste nach dem Dreißigjährigen Krieg von dem Baumeister Santini-Aichl 1726 als bedeutendster Bau der "Barockgotik“ errichtet wurde - ein Phänomen, das geisteswissenschaftlich zu deuten ist. Nach der Säkularisierung 1785 diente es als Kaserne und Lazarett, bevor es Fürst Windisch-Grätz erwarb und zum Schloss umbaute.

In einer Führung sah man die reiche Barockausstattung der Kirche mit den Fresken der Brüder Asam und der Ausstattung der Klosterräume durch die Fürstenfamilie. Während im Klosterhof Ritterlieder erklangen und Steaks gegrillt wurden ging es Wieder zum Bus, der die noch nicht müden Hersbrucker nach Mies brachte, um auch diese Stadt hoch über dem Fluss Mies zu besichtigen Schon um 1180 begannen Bergarbeiter in den steilen Felsen nach Blei und Silber zu suchen. Weil es regnete, konnte man die wichtigen Sehenswürdigkeiten vom Bus aus bewundern, wie die Hussitenbastion und das Brückentor, die alte Friedhofskirche mit romanischen Resten und das Renaissancerathaus mit den Schmuckgiebeln und Figurensgraffiti auf dem stattlichen Marktplatz.

Nur 30 km waren es noch bis Pilsen und bald sah man den über 100 m hohen Turm der Bartholomäuskathedrale. Das Hotel Slovan, das vor 1900 im Stil des Historismus als Hotel Waldeck, vor dem zum Park umgestalteten Stadtgraben errichtet wurde, hat noch ein beeindruckendes Treppenhaus aufzuweisen. Nur wagten wegen des Regens schon den Weg in die Stadt, der aber am Sonntag von der ganzen Gruppe angetreten wurde.

Natürlich wurde der Besuch auf die Altstadt beschränkt. So wurde bei der Stadtführung einer der größten gotischen Marktplätze Europas bestaunt (139 mal 193 m), die gotische Kirche mit der Pilsner Madonna besichtigt und der Glücksengel am Ölberggitter gestreichelt. Wasser sprudelte aus den modernen vergoldeten Wasserspeiern, die Engel, Windhund und Kamel aus dem Pilsner Wappen symbolisieren, Viele stattliche Bürgerhäuser erzählen ihre Geschichte, unter ihnen besonders.

Die im maurisch-romanischen Stil errichtete Synagoge mit den zwei charakteristischen Zwiebeltürme konnte nach jahrelanger Renovierung auch von innen besichtigt wer den. Die Gewölbe dieser zweitgrößten Synagoge Europas sind mit goldenen Sternen auf blauem Grund verziert und in den Gängen sind moderne Kunstwerke ausgestellt.

Dann strömte die Gruppe in die schönen Gasthäuser der Stadt, um das Pilsner Bier kennenzulernen, das die Stadt weltberühmt gemacht hat. Lendenbraten mit Knedlika waren hier der Renner. In der Pilsner Urquell Brauerei erfuhr die Gruppe, dass diese 1842 von mehreren Kommunbräuern gegründet wurde, und hier der bayerische Braumeister Josef Groll das hervorragende Pilsner herstellte. Heute gehört die Brauerei einem südamerikanischen Konzern.

Um zu der großen Abfüllanlage zu gelangen, die sich auf dem Brauereigelänge befindet, wurde ein Bus bestiegen. Schier endlos kreisten hier tausende von Flaschen, wobei kaum Arbeiter zu sehen sind. Ein Film zeigte die Bierherstellung und an den riesigen alten Kupferkesseln vorbei ging es von Raum zu Raum, bis man im Keller landete, Hier sind die Holzfässer mit etlichen Hektolitern gefüllt.

Als letzten Punkt hatten man sich die Führung durch die historischen Pilsner Kellergewölbe aufbewahrt, die sich zirka 20 km unter der Altstadt durchziehen und früher zur Lagerung von Lebensmitteln, auch Bier, dienten. Viele große Brunnen konnte man entdecken, in denen das klare Wasser stand und beim Wasserturm zeigt das große Wasserrad, Wie einst das Trinkwasser zu den Brunnen gepumpt wurde.

Als es im Bus wieder gen Heimat ging, War man der einhelligen Meinung, dass diese Stadt, die 2015 Kulturhauptstadt Europas wird, nichts mehr von einer schmuddeligen lndustriestadt hat. 


HELMUT SUß

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