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Montag,
18. Februar 2013
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Altstadtfreunde folgen dem Ruf des
Nachtwächters

Phil
Sydenham stößt in das alte Türmerhorn
Foto: H. Süß
HERSBRUCK/VILSECK
– Trotz
Kälte entschloss sich eine stattliche Anzahl von Hersbrucker Altstadtfreunden,
an
einem Tag den Ort Vilseck in der Oberpfalz kennenzulernen.
Anknüpfungspunkt war das Türmermuseum, da ja das Thema des
Jahresprogramms die Türme sind.
Georg Hutzler hat die Fahrt gut organisiert und Frau Nitschke
erwartet die Gruppe vor dem Türmermuseum, das im Vogelturm
untergebracht ist. Einst waren zwei Familien in dem stattlichen
Stadtturm untergebracht, dessen Vorwerk vollständig vorhanden ist. Die
ehemaligen Rauchküchen sind noch im Originalzustand erhalten. Die
Aufgabe der Türmer war es, die Besucher mit der Trompete "anzublasen",
also der Bevölkerung anzukündigen und gleichzeitig den Gast zu
begrüßen. Natürlich mussten sie auch die Turmuhr aufziehen, Feinde
melden und bei Ausbruch von Feuer Alarm schlagen. In der
Bestallungsurkunde von 1599 werden alle Aufgaben des Türmers genau
beschrieben.
In einer Vitrine ist ein Brief Max Regers zu sehen, der 1905 den Türmer
Erhard Fichtl von Floß empfahl. Auf dem Turm sind neben einem alten
Uhrwerk und einem Zifferblatt von 1881 eine alte Bohlenstube, Laternen
und ein kupfernes Sprachrohr zu sehen, mit dem sich der Türmer
verständigen konnte. Hauptsehenswürdigkeit ist ein Damenkleid von 1848,
das die berühmte Lola Montez bei ihrer Flucht in Vilseck zurückgelassen
hatte. Elias, der 1825 geborene Sohn des Vilsecker Türmers Johann
Peißner, studierte in München und wurde wegen seiner Größe als
Leibwächter der Lola eingesetzt. Dabei verliebte er sich in sie. Als
das Ludwig I. bemerkte, ließ er bei der Revolution 1848 von ihr ab und
sie floh mit Peißner zuerst nach Vilseck und weiter nach Amerika.
Dort trennten sich ihre Wege. Peißner wurde Professor für Germanistik
und starb als Offizier im Krieg gegen die Südstaaten.
Nach einer Stärkung wurde die am Ostrtand von Vilseck liegende Burg
Dagestein besichtigt. Die Burg aus der Stauferzeit lag an der Goldenen
Straße,., Die älteren Gebäudeteile sind aus Sandstein errichtet, der
Zehntstadel aus Kalkstein. Als die Gemeinde 2001 die Burg
denkmalgerecht sanieren ließ, fand man nach Entfernung der barocken
Einbauten die romanische Bausubstanz. Es waren Steinmetze, die auch am
Bamberger Dom gearbeitet hatten, die die Toreinfahrt mit dem
spätromanischen Kreuzrippengewölbe errichteten. Dort befindet sich ein
einfach gestuftes romanisches Portal mit Palmettenverzierung, das
ebenso wie die Apsis der Kapelle vermauert war. Hier wurden zwei
Malereien aus der Zeit um 1360 freigelegt, die den heiligen Georg mit
Rüstung und den Erzengel Michael mit Waage darstellen. Diese
Seccomalerei ist vorzüglich erhalten und wird durch eine Glaswand
geschützt. Viele alte behauene Stufen ging es hinaus zu der
Aussichtsplattform, wo man einen ausgezeichneten Blick auf die Stadt
und das Umland hat.
Frau
Linke zeigte die Ein- und Umbauten und erklärte die Umgebung und die
Stadt, deren Mauerverlauf von oben deutlich zu sehen ist. Für
viele Geschichten blieb leider keine Zeit, denn unten wartete
bereits der Nachtwächter. Er war ausgerüstet wie einst und zeigte nicht
nur seine Stadt, sondern blies das Horn und sang die Nachtwächterrufe
mitten am Tag. Wo einst das alte Rathaus stand, das 1802 abbrannte,
steht heute ein wuchtige Felsstein, ein Abbild des großen Teufelsteins,
der sich am Kreuzberg bei Schlicht befindet und um den sich eine
schauerliche Sage rankt.
Vilseck wurde 1331 zur Stadt erhoben und bald umgab die Stadt eine 948
Meter lange Mauer, die teilweise bis zu neun Meter hoch war. Von den
vier Stadttoren ist nur noch eines erhalten, dessen Krüppelwalmdach an
unsere Hersbrucker Stadttore erinnert. Die kleine Stadt hat nur fünf
Straßen. Große Tore führen in Innenhöfe und zu den landwirtschaftlichen
Gebäuden. Neben dem Weihertor befindet sich das Pflegschloss, ein
besonders stattliche Bau, der heute als Hotel genutzt wird. Vor bei an
der Kommunbrauerei ging es zum Spital, einem schönen Barockbau. Die
Hauptstraße war einst die breite Straße, die ihren Namen wirklich
verdient. Hier führte die Goldene Straße durch den Ort, die Nürnberg
mit Prag verband.
Als sich die Gruppe der St, Ägidius Kirche näherte, die mit ihrem
gotischen Chor direkt an der Stadtmauer auf dem höchsten Punkt der
Stadt steht, führte Nachtwächter "Tschung" die Gruppe zu seinem Haus,
wo die durchfrorenen Besucher mit einem Schnäpschen erwärmt wurden.
Dann zog man an der St. Leonhardskapelle vorbei, der Vils entlang ins
nahe Schlicht, wo die Gruppe bei einer zünftigen Vesper und heimischen
Bier noch zusammensaß, bis die Abfahrt des Pendolinos zum Aufbruch rief.
HELMUT
SÜß
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