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Montag, 6. Februar 2012

Lernen in der "Classe" anno dazumal


HERSBRUCK — Schule im Hersbrucker Land einst, so lautet das Jahresthema der Hersbrucker Altstadtfreunde. Zu einem ersten Einführungsvortrag waren zahlreiche Mitglieder im Stadtcafe erschienen. So wie die Hirten, die im Vorjahr dargestellt wurden, war ja auch der Lehrerstand über Jahrhunderte ein recht armseliger Berufsstand — die Gemeinde stellte Schulhaus, Wohnung und Schulgarten, der Lehrer lebte von den Einnahmen als Kirchendiener und vom Schulgeld.

So 'schreibt Jean Paul, ein Sohn und Enkel von Schulmeistern, dass sein Großvater einer dieser Hungerleider war. „Sein Schulhaus war ein Gefängnis, zwar nicht bei Wasser und Brot, aber doch bei Bier und Brot; denn viel mehr als beides — und etwa frömmste Zufriedenheit dazu  warf das Rektorat (in Neustadt am Kulm) nicht ab... und an dieser gewöhnlichen bayreuthischen Hungerquelle für Schulleute stand der Mann 35 Jahre lang und schöpfte, bis er endlich mit 76 Jahren eine bessere Stelle ` bekam, und zwar auf    dem Neustädter Friedhof  (1763)."

Der Referent erinnerte an eine ersten Schulen in Deutschland, wie die vor 800 Jahren gegründete Thomaner-Schule in Leipzig, an der der Hersbrucker Theologe Nikolaus Selnecker und später Johann Sebastian Bach als Thomaskantor wirkten.

Auch in Hersbruck gab es schon vor 1420 eine Pfarrschule, wie der ausgezeichneten Arbeit von Regina Fleischer (450 Jahre Paul Pfinzing Gymnasium Hersbruck, 1985, 312 Seiten) zu entnehmen ist. So wird bereits 1418 der Hersbrucker Schulrektor und Stadtschreiber Johann Karlstein von Forchheim erwähnt, der an dieser gemischten Lateinschule den Kirchengesang einstudierte und somit auch Nachwuchs für die Kirche ausbildete. Die Schule wurde auch von der Schule mitfinanziert und war eine Magd der Kirche. Nicht umsonst war der zweite Lehrer der Kantor, und an der späteren dritten Schulstelle unterrichtete der „Tertius".   

An diesen „Trivialschulen" waren die drei Hauptthemen Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Mit der Reformation wurde durch    Melanchthon aber die reine Lateinschule eingeführt, wie sie sich in der Hersbrucker Schulordnung von Sebald Heyden im Jahre 1535 zeigte. Da aber Schreiben und Rechnen immer mehr Bedeutung erlangten, wurde um diese Zeit auch eine deutsche Schule in Hersbruck eröffnet. Sie soll in dem kleinen Haus am Stadtgraben untergebracht gewesen sein und der erste deutsche Schulmeister war Caspar Gutmann, der 'Sohn eines Hersbrucker Hafners, der von i alle Kinder als Schreib- und meister in diese Kunst einwies


Alte Schulhaus

Wo heute der Stadtrat tagt, war ab 1843 eine Schule und zwar im Stadthaus

Die Geschichte der Hersbrucker Schule findet sich in, der Jubiläumsschrift „25 Jahre Hauptschule Hersbruck", 1997, (herausgegeben von Rektor Martin Pflaumer, 200 S.) ist auch die „Instruction für den Vorsteher der teutschen Stadt-Schule zu Hersbruck" von 1737 abgedruckt. Die ersten beiden der insgesamt 26 Punkte lauten: "1. Sollen die Kinder zur möglichsten Stille durchgehends angewiesen, auch ihnen nächst Lehrung guter Sitten zugleich eine Ehrfurcht gegen die von Gott  vorgesetzte liebe Obrigkeit, durch öftere gute Vermahnungen, wohl eingepräget; 2. Der ganze Numerus in gewisse Classes, als in die das a.b.c. und das b.a.ba. lernende, ferner buchstabirende, dann Lesende und ' Schreibende eingetheilet werden:.. "

Dabei wurden die Buchstaben groß an die Tafel geschrieben, von den Kindern erst nachgesprochen und dann auf ihre kleine Tafel abgeschrieben. Erst wenn sie. alle Buchstaben schreiben konnten, durften sie ganze Wörter schreiben.Wer das konnte, rückte in die nächste Classe vor. Weitere Lernstoffe waren das Einmaleins und der Catechismus.

Als Hersbruck zu Bayern kam, stellte Landrichter Müller eine Schulordnung von 36 Paragraphen auf, weil ja die Schulen in jeder Beziehung einen wichtigen Einfluss auf das allgemeine und besondere Wohl des Staates haben. So wird an die Schulpflicht erinnert und an den einheitlichen Schulbeginn und im Paragraph 4 heißt es „Um die Aufnahme der Kinder in die Schule feyerlicher' zu machen, werden die Eltern... an; dem bestimmten Tag das Kind selbst in die Schule begleiten und es dort dem Pfarrer und Schullehrer, welche auf ihre Ankunft  warten, vorstellen. Sie... nehmen sie freundlich auf; der erste hält eine kleine ermunternde Anrede an sie; dann gehen sie in die Kirche und nach vollendeter Gottes-Verehrung wieder in die Schule zurück. Nun liest der Schullehrer die Schul-Gesetze, soweit sie das Verhalten der Kinder betreffen vor,' welche der Pfarrer jedesmal mit kleinen Bemerkungen begleitet....."

Dieser kleine Einblick über die Geschichte der Schulen in Hersbruck endete mit einem Beschwerde-Pfarrers Jorns 1850, der sich beim  Magistrat darüber beschwerte dass „Sonntagsschüler", also Berufsschüler, die Kellerwirtin Hersbruck aufsuchen und dort Bier trinken.

Den zweiten Teil des Abends gestaltete der ehemalige Gymnasiallehrer Richard Siebenbürger mit Geschichten aus der Schule in den Fünfzigerjahren, wie er sie in Schweinfurt erlebte und wie sie sich so ähnlich auch in Hersbruck ereignet haben dürften. Im ersten Teil widmete er sich der strengen trennung in Mädchen- und Bubenklassen und nach Religionszugehörigkeit und schilderte, wie Tinte und flüssiges Wachs von den Pulten herunterlief und wie die Zöpfe der Mädchen im Wachs getränkt wurden.


Im zweiten Teil ging er. näher auf der "naturnahen Unterricht" ein der seine Höhepunkte im Sammeln von Maikäfern und Kartoffelkäfern erreichte, die an sogenannten „Wandertagen" durchgeführt wurden. Und er stellte auch Verteilung von Schulmilch dar, wie das damals ablief und warum nicht alle Kinder damit bedacht wurden. Die jeweiligen Beiträge wurden von den. Anwesenden durch' heimische Beispiele erganzt.

Im dritten Teil ging Siebenbürger auf die damaligen Kampagnen gegen Schmutz und Schundliteratur gegen die ersten Aufklärungsfilme ein, die von den Lehrern mit großem Einsatz durchgeführt wurden; aber gegen den Zeitgeist war wenig auszurichten. Mit Beiträgen über die Erlebnisse in Hersbruck und einer Zeitschilderung des Kinderlebens in den 50er-Jahren klang der interessante Abend aus.
HELMUT SÜß






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