HZ
Samstag, 20. Februar 2010

 HZ - HERSBRUCKER LAND

Türmer und Pfeifer

Hersbrucker Altstadtfreunde: Musik in einer alten Stadt

HERSBRUCK (hs) - Die Hersbrucker Altstadtfreunde luden zum ersten Vortrag dieses Jahres, das unter dem Motto „Musik in einer alten Stadt“ stehen soll.

Die Türmer waren die frühesten Musikanten in einer Stadt, oft noch vor den Kantoren (cantor = Sänger). 2. Vorsitzender H. Schmitt begrüßte die Gruppe im Stadtcafé Er ging besonders auf den Feuerwächter vom Michelsberg ein, der neben dem Türmer auf dem Rathausturm die wichtige Funktion hatte, die Stadt vor Unheil zu schützen. Helmut Süß erzählte die Sage vom Türmer zu Klagenfurt, der um Mitternacht mit seinem Horn die Toten weckte. Daran schloss sich die Ballade „Der Totentanz“ von Goethe an: Der Türmer nahm einem tanzenden Toten vom Kirchhof das Leichentuch weg und musste Ängste ausstehen, bis der erlösende Glockenschlag ertönte.

Nach dieser Einleitung ging es um die Türmer, die jahrhundertelang die Städte vor Gefahren warnten. So sind die Türmer auf dem Hersbrucker Rathausturm seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Sie wohnten dort oben und warnten die Bürger mit Horn, Glocke, Flaggen oder Lampen.

Der Referent stellte den Tagesablauf eines Türmers vor: Wenn der Tag graute, spielte er seine Lieder vom Turm, nachdem er sich überzeugt hatte, dass vor den Toren alles ruhig war. Damit gab er den Torsperrern das Zeichen, die Stadttore zu öffnen und so den Verkehr hinaus und hinein zu ermöglichen. Er begab sich dann vom Turmumgang wieder in seine Wohnung, die nur aus kleinen Zimmern bestand. Freilich mied er im Winter wenn möglich die Galerie, auf der der Wind pfiff, und öffnete nur das Gutzerla, ein kleines Fenster im Fenster.

Brennholz, Wasser und Lebensmittel mussten auf den Turm hinaufgezogen werden und im Gegenzug wurde der Aborteimer heruntergelassen. Eine wichtige Aufgabe des Türmers war die Angabe der Zeit, da ja die Menschen damals noch keine Uhr besaßen. Er musste die Zeit anschlagen, anfangs mit einem Hammer auf die Glocke - im englischen heißt es ja heute noch o‘clock - später gaben die großen mechanischen Uhrwerke von selbst den Stundenschlag. Uhren waren auf Türmen untergebracht, da hier die Möglichkeit bestand, durch Gewichte an langen Seilen die Uhr längere Zeit in Gang zu halten, bis die Gewichte wieder aufgezogen werden mussten.

Der Türmer musste das Uhrwerk ständig in Gang halten, ölen und reparieren. Besonders in kriegerischen Zeiten hatte er immer wieder besonders wachsam die Umgebung der Stadt im Auge zu halten und „fremd durchreisendes Gesindt“ mit der Trompete zu melden. Die Bürger mussten sich dann mit Wehr und Rüstung bei ihrem Viertelmeister einfinden.

Noch größer war die Feuersgefahr für die eng bebaute mittelalterliche Stadt. Zwar waren leicht brennbare Sachen schon im Scheunenviertel gelagert, doch auch so konnte ein Feuer „auskommen“ und unvorstellbaren Schaden anrichten. Nur wenn es rechtzeitig bemerkt wurde, konnte man mit den Handdruckspritzen und den ledernen Wassereimern eine Katastrophe vermeiden. Bei Entdeckung eines Brandes musste der Türmer sofort die Glocke anschlagen und dann mit der Trompete das Feuersignal geben.

An Markttagen und während des Gottesdienstes musste er sich „fleißig umsehen“, um die Bürger vor Straftaten zu beschützen. ‘Mittags wurde ein Choral vom Turm geblasen, nachdem die große Glocke der Stadtkirche 12 Uhr geläutet hatte.

Bei Beerdigungen zogen Mesner, Pfarrer und Kantor mit den Sängern („Alungersen“ in Hersbruck genannt) unter Glockengeläute von der Stadtkirche zum Sterbehaus und holten dort den Sarg ab. Wenn der Zug an der Spitalkirche vorbeikam, ließ der Spitalmeister läuten und dann erscholl die Glocke der Auferstehungskirche. Auch der Türmer blies vom Turm einen Abschiedschoral, wenn nicht die ganze Stadtkapelle von den Angehörigen bestellt worden war und beim Trauerzug mitging.

Turmbläser

Die Hersbrucker Turmbläser haben eine lange Tradition.    Foto: J. Ruppert

Die Besoldung des Türmers war entsprechend seiner Verantwortung relativ hoch, aber es war auch die ganze Familie beschäftigt. Selbstverständlich hatte er die Dienstwohnung in luftiger Höhe und erhielt von der Stadt das Besoldungsholz. Die Bürger hatten ein jährliches Wachgeld zu entrichten, damit die Türmer, der Stadtknecht und der Nachtwächter besoldet werden konnten. An Neujahr gab es für die Bediensteten wie auch für den Hirten ein extra Zubrot; durch „Neujahrwünschen“ erhielten sie von den wohlhabenden Bürgern ein Scharflein für ihre vorgebrachten Gratulationen. Als Musiker unterstützten sie auch den Kantor an hohen Festtagen durch Mitwirkung bei Kirchenkonzerten, was gesondert honoriert wurde. Und auch zum Tanz bei Hochzeiten und anderen Festen spielten die Türmer mit ihren Gesellen auf. Die Türmergesellen mussten eine mehrjährige Ausbildung durchlaufen und dabei lernten sie auch das Musizieren auf den unterschiedlichsten Instrumenten. Dar letzte Hersbrucker Türmer Bürner unterrichtete zahlreiche Hersbrucker Schüler im Musizieren - aus diesen wurde dann auch der erste Posaunenchor gegründet.

Vielfach zogen Türmergesellen aus der Oberpfalz oder aus Thüringen hier durch und fragten nach Arbeit. Wenn eine Stelle frei war konnten sie sich um dieses Amt bewerben. Vielfach blieb aber das Türmeramt in einer Familie. In Hersbruck war es im 19. Jahrhundert die Familie Lobinger, die diese Aufgabe übernahm.

Mit der Eisenbahn kam aber die festgelegte Zeit nach Hersbruck; immer mehr Menschen hatten eigene Uhren und so war der Türmer in dieser Hinsicht bald nicht mehr gefragt. Daher verlegte sich sein Aufgabenbereich mehr und mehr auf die Musik. Mit dem Stadtkapellmeister Richard Klein zog hier eine neue Ara ein. Die Stadtkapelle zog auch beim alljährlichen Kinderfest dem Zug voraus uhd zum Michelsberg hinauf. Dort gab es dann auch Unterhaltungsmusik für die Erwachsenen. In den 20er Jahren, als Radiomusik noch nicht gang und gäbe war, wurde dieses Konzert gerne genützt.


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