Ausflug der Altstadtfreunde nach Roth

Schloß Ratibor und Leonisches Museum

 Unser Ausflug ins Rother Land stand ganz im Zeichen der „Leonischen Waren“, die dort seit dem 17. Jahrhundert hergestellt werden und auch heute noch ein wichtiger Wirtschaftszweig sind.
Im Fabrikmuseum Roth wurde uns ein Stück Industriegeschichte in einzigartiger Weise vorgeführt.  Die historischen  Maschinen und Vorrichtungen  zur Herstellung des Leonischen Grundmaterials sind alle  funktionstüchtig und man kann auch heute noch die daraus erstellten Webprodukte, wie Bänder und Borten bestaunen.

Roth
Länge des Keilriemens bestimmen!

Von dem einfachsten Gerät, bei dem der Draht durch eine Diamantscheibe zur Reduzierung des Querschnittes gezogen wird, über die mühlenbetriebene Drahtzieherschaukel bis hin zum Feinzug und der Plätterei werden alle Arbeitsgänge vorgeführt. Bahnbrechend war die Erfindung des mit geplättetem Metall ummantelten Textilfadens, der anschließend durch die unterschiedlichsten Webstühle weiter verarbeitet wird.
Um nicht nur mit Kette und Schuss zu arbeiten, entwickelte Josef-Marie Jacquard das nach ihm benannte  Einzelfadenwebverfahren, mit dem auch komplizierteste Muster  angefertigt werden können.

Webstuhl

Französische Glaubensflüchtlinge aus Lyon, die Hugenotten, brachten diese Kenntnisse zur Herstellung der begehrten Waren mit und im fränkisches Dialekt wurde  aus den Lyoner  die Leonischen Drahtwaren.
Die Hugenotten, die dem Calvinismus anhingen, waren anfänglich nur ein kleiner intellektueller Kreis, stellten aber im 16. Jahrhundert  doch etwa 12 % der französischen Bevölkerung. Während der Hugenottenkriege kam es zu der legendären Bartholomäusnacht, einem Pogrom  an den Andersgläubigen und der Folge einer ersten Fluchtwelle. Als dann 1589 sogar noch ein Hugenotte, Heinrich von Navarra, Frankreichs König wurde, setzte die mächtige römische Kirche alles daran, den Thron wieder mit einem Katholiken zu besetzen und auch das Land wieder zu rekatholisieren. Nach erneuter starker Verfolgung emigrierten ab 1661 etwa  300 000 Glaubensflüchtlinge in die protestantischen Länder Europas und so auch in das Herrschaftsgebiet der Ansbacher Markgrafen.
Wie mit Leonischen Waren sehr viel Geld verdient wurde konnte bereits am Vormittag in Roth besichtigt werden. Schloss Ratibor wurde im 16. Jahrhundert  von Markgraf Georg dem Frommen von Brandenburg – Ansbach als Jagdschloss  errichtet. Er gab ihm den Namen des früheren schlesischen  Fürstentums Ratibor, von dessen Einkünften er den Bau finanzierte. Nach der Abdankung des letzten brandenburgischen Markgrafen 1791 wird das Schloss an den Fabrikanten  Stieber verkauft. Dieser war durch die Herstellung von Leonischen Tressen, also gewebten Bandstreifen und Borten aus Gold oder Silberfäden zu immensem Reichtum gelangt. Seine Erzeugnisse zierten vor allem  Uniformen, aber auch Trachten, festliche Kleidungsstücke und sogar Tapeten wurden damit geschmückt.

Da die Ausstattung aus der Markgrafenzeit  nahezu vollständig verloren ging, lässt er das Schloss aufwendigst wieder herrichten und orientiert sich dabei an repräsentativen Räumen der Renaissance und des Frühbarocks in Italien. Sein Anspruch als Standesherr und erfolgreicher Industrieller sollte durch die prunkvollen Räume unterstrichen werden. Wenn man vom idyllischen Schlosshof  das herrschaftliche Treppenhaus betritt, fällt der Blick sofort auf die Glasfenster mit dem Bauherrn Georg dem Frommen, umgeben von seinem und den Wappen seiner drei Ehefrauen. In eindeutiger Absicht sind die Wappen der Familie Stieber darüber gesetzt und lassen keine Zweifel an deren Bedeutung aufkommen.
Alle Fahrtteilnehmer  waren begeistert von den interessanten Einblicken in die Industriegeschichte der Leonischen Waren, die in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in vielen Familien für ein gutes Auskommen  und  gelegentlich auch für großen Wohlstand sorgte.

Dieter Striegler