Französische
Glaubensflüchtlinge aus Lyon, die Hugenotten, brachten diese Kenntnisse
zur Herstellung der begehrten Waren mit und im fränkisches Dialekt
wurde aus den Lyoner die Leonischen Drahtwaren.
Die
Hugenotten, die dem Calvinismus anhingen, waren anfänglich nur ein
kleiner intellektueller Kreis, stellten aber im 16. Jahrhundert
doch etwa 12 % der französischen Bevölkerung. Während der
Hugenottenkriege kam es zu der legendären Bartholomäusnacht, einem
Pogrom an den Andersgläubigen und der Folge einer ersten
Fluchtwelle. Als dann 1589 sogar noch ein Hugenotte, Heinrich von
Navarra, Frankreichs König wurde, setzte die mächtige römische Kirche
alles daran, den Thron wieder mit einem Katholiken zu besetzen und auch
das Land wieder zu rekatholisieren. Nach
erneuter starker Verfolgung emigrierten ab 1661 etwa 300 000
Glaubensflüchtlinge in die protestantischen Länder Europas und so auch
in das Herrschaftsgebiet der Ansbacher Markgrafen.
Wie mit Leonischen Waren sehr viel Geld verdient wurde konnte bereits am Vormittag in Roth besichtigt werden. Schloss
Ratibor wurde im 16. Jahrhundert von Markgraf Georg dem Frommen
von Brandenburg – Ansbach als Jagdschloss errichtet. Er gab ihm
den Namen des früheren schlesischen Fürstentums Ratibor, von
dessen Einkünften er den Bau finanzierte. Nach der Abdankung des
letzten brandenburgischen Markgrafen 1791 wird das Schloss an den
Fabrikanten Stieber verkauft. Dieser war durch die Herstellung
von Leonischen Tressen, also gewebten Bandstreifen und Borten aus Gold
oder Silberfäden zu immensem Reichtum gelangt. Seine Erzeugnisse
zierten vor allem Uniformen, aber auch Trachten, festliche
Kleidungsstücke und sogar Tapeten wurden damit geschmückt.
Da
die Ausstattung aus der Markgrafenzeit nahezu vollständig
verloren ging, lässt er das Schloss aufwendigst wieder herrichten und
orientiert sich dabei an repräsentativen Räumen der Renaissance und des
Frühbarocks in Italien. Sein Anspruch als Standesherr und erfolgreicher
Industrieller sollte durch die prunkvollen Räume unterstrichen werden. Wenn
man vom idyllischen Schlosshof das herrschaftliche Treppenhaus
betritt, fällt der Blick sofort auf die Glasfenster mit dem Bauherrn
Georg dem Frommen, umgeben von seinem und den Wappen seiner drei
Ehefrauen. In eindeutiger Absicht sind die Wappen der Familie Stieber
darüber gesetzt und lassen keine Zweifel an deren Bedeutung aufkommen.
Alle
Fahrtteilnehmer waren begeistert von den interessanten Einblicken
in die Industriegeschichte der Leonischen Waren, die in unserer
unmittelbaren Nachbarschaft in vielen Familien für ein gutes
Auskommen und gelegentlich auch für großen Wohlstand sorgte.
Dieter Striegler